Der Welten- oder Lebensbaum

 

In ihm reisen Schamanen und andere Eingeweihte, um Wissen, Heilung, Macht, Kraft oder Verbündete zu finden. Es finden sich in ihm die einzelnen Existenzebenen wieder, die auch in anderen esoterischen, mystischen, spirituellen oder metaphysischen Lehren beschrieben werden. 

Vergleichbare Auffassungen finden sich auf der ganzen Erde, sowohl bei archaischen Stämmen als auch in den Hochkulturen. Hauptsächlich geht es um die Verbindung von Himmel, Erde und Unterwelt - die Öffnung zum Transzendenten. Als  axis mundis (Zentralachse) und Träger des Universums befindet er sich genau im Mittelpunkt der Welt; da wo der Schöpfer zum ersten Mal gestalterisch eingegriffen und die Ordnung der kosmischen Ebenen aus dem Chaos heraus geschaffen hat.  

Dabei spielt die geografische Lage keine Rolle. Tatsächlich ist es so, dass ein Abbild der Weltenachse sich überall dort findet, wo Menschen  die Nähe zu Gott suchen. Dieser Ort, an dem sich die Weltenachse befindet, kann sich durch ein Zeichen des Heiligen offenbaren, durch auffällige Naturgegebenheiten (Quellen, Felsen etc.). 

Die Errichtung der Weltenachse bei der Neubesiedlung eines Gebietes, der Errichtung eines Hauses erfolgte durch die Wiederholung des Schöpfungsaktes, wie er im jeweiligen Mythos vorgeschrieben ist. Durch Rituale und Zeremonien werden die Menschen eins mit dem Schöpfergott und erschaffen sich einen heiligen Raum, der sich zwar in der diesseitigen  Welt manifestiert, aber dennoch unberührt bleibt von ihren Bedingungen. 

Das Sinnbild des Baumes bildet den Gegenpart zum dem Symbol des Steines. Während letzterer statische Kräfte wie Unvergänglichkeit und Ewigkeit darstellt und männliche Eigenschaften verinnerlicht, kommen dem Baum die weiblichen Charakteristiken von Dynamik, Periodizität, die zyklisch ablaufenden Phasen der Regeneration zu.

Es heißt der Baum spendet der vegetativen Seele, die im Stein enthalten ist als Symbol für die Fruchtbarkeit aus den Quellen der Unterwelt, Schatten und Feuchtigkeit. Aber eigentlich ist er eine Stütze für die subtile Seele, die sich auf ihm niederlässt.

Durch seine Bedeutung als axis mundis wird der heilige Baum damaliger Gemeinschaften zum Zentrum des gesellschaftlichen Lebens. Für Rituale und kultische Opferungen wurde er zum Altar, wie aus zahlreichen Beispielen bekannt ist. In Uppsala wurden alle neun Jahre die Zeremonien des Königsopfers vollzogen. Da das Wohlergehen eines Landes bzw. eines Stammes von der Kraft des Königs abhing und man glaubte, diese hätte sich nach neun Jahren erschöpft, wurde er an der heiligen Stätte unter einem großen Baum geopfert. Die Yngling Saga erzählt dazu die Geschichte vom König Aun, der mit Odin den Handel abschloss, an seiner Stelle jeweils einen seiner Söhne zu opfern. Ab den 8. Sohn war er schon so schwach, dass er kaum mehr laufen konnte, bei dem 9. gar mussten ihn seine Gefolgsleute in einer Sänfte nach Uppsala tragen und als schließlich auch seinen 10,. Sohn opfern wollte, weigerten sich die Schweden und er musste sich seinem Schicksal ergeben. Diese Geschichte enthält einige Parallelen zur Legende von der Verbannung Odins. Dieser hatte sich bei den Götter durch zahlreiche Streitigkeiten derart unbeliebt gemacht, dass beschlossen wurde ihn 9 Jahre lang aus der Gemeinschaft auszuschließen. An seiner statt regierte der Magier Ullr oder Ollr über die Geschehnisse auf Himmel und Erden, erst als die Zeit der Verbannung verstrichen war, erhielt  er seine Macht zurück und konnte die Regierungsgeschäfte wieder übernehmen. Die Anzahl der Jahre galt lange Zeit als Rätsel, in der Zahlenmystik steht die 9 für Vollendung und Vollkommenheit und zurückführen lässt sich dies wahrscheinlich auf einen kosmischen Zyklus. Nach 99 Monaten, also 8 Jahren und 4 Monaten standen die Gestirne wieder am Anfang ihrer scheinbaren Umlaufbahn. Daraus wurde geschlossen, dass nun ein neuer kosmischer Zyklus anfängt, der auf der Erde den Beginn einer neuen Generation bedingt.

In ganz Europa nahmen Eichen einen besonderen Rang als Kultplatz ein, bekanntestes Beispiel ist die heilige Eiche im Tempel des Zeus in Dodona, wo sich, neben Delphi, die bedeutendste Orakelstätte von Hellas befand.  

 

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